Der Brauch, Lichter und Lieder in die Nacht zu tragen,
in der Zeit länger werdender Nächte große Feuer aufzuschichten,
ist uralt.
Er entspricht den großen Feuern der Osternacht und anderen Festen,
die im sommerlichen 'Feuerzauber' nachhallen.
Das Feuer, Symbol des Lebens und des Geistes,
verbindet sich im Spätherbst mit der Gestalt Martins von Tours.
Sein Fest und Leben handeln davon, die Nacht zu durchlaufen, sie auszuhalten,
ihr das Licht und die Wärme der Barmherzigkeit entgegen zu halten.
Martin wurde zur Zeit Konstantins, 316 oder 317 nach Christus,
in der römischen Provinz Pannonien im heutigen Ungarn geboren.
Sein Leben, Wirken und Legende sollten durch die Jahrhunderte hindurch
Leitbild des frühen fränkischen Reiches, Rittertums und der Wohltätigkeit werden.
Die Vita von Severus Sulpicius über Martin von Tours gibt tiefen Einblick in das spätrömische Reich zur Völkerwanderungszeit.
Und zeigt einen frühen Superhelden.
Martin verkörpert die Ideale dieser Zeit.
Er ist Krieger, ohne zu kämpfen, ist Exorzist und Einsiedler, teilt mit den Armen, heilt,
vollbringt Wunder, setzt sich für politische Gegner und Verfolgte ein, reist,
gründet Ligugè als erstes Kloster des Westens, wird gegen seinen Willen Bischof
und stirbt als einer der ersten kanonisierten Kirchenheiligen hochbetagt an Altersschwäche.
...
Seine Mantelreliquie, die capa, gehörte seit den Merowingern zum kostbarsten Besitz fränkischer Könige.
Sie führten sie mit sich in die Schlacht und auf die Wege ihres Reisekönigtums.
Auf die capa und ihr Behältnis, die capella, das Mäntelchen, wurden Eide geleistet.
An jedem Königshof stand ein kleiner Kirchenraum bereit, die capa aufzunehmen.
Darin wurden unter Eid auch wichtige Vereinbarungen getroffen.
So kam es, dass capella auf diese Räume übertrug, sie Kapellen wurden,
und auch Hofverwaltung lange diesen Namen trug.
Der Geistliche, der diesen kleinen Kirchenraum betreute und zur Kapelle gehörte,
capellanus, wurde später zum Kaplan.
Advent im Rheintal